Am 08.05.21 versuchte die antisemitische „Querdenken“ Bewegung in Oldenburg zu demonstrieren. Wir riefen deswegen zu Gegenaktionen um deren Route auf – und das mit vollem Erfolg. Wir schafften es, eine längere Blockade zu halten. Uns freute auch, dass viele neue und auch gerade jungen Menschen, die mit uns auf die Straße gingen, dabei waren. Wir merken aber auch, dass es für viele vielleicht die erste größere Aktion war und, dass die Konfrontation mit der Polizei und die Maßnahmen neu waren; dass das Ganze auch überfordernd sein konnte und Angst machte.
Dieser Text ist ein Versuch, euch damit aufzufangen und euch zu unterstützen. Und das mit bestem Wissen, dass ein Text dafür nicht ausreicht. Gerne würden wir mit euch beim Offenen Antifaschistischen Treff in der Kneipe des Alhambras sitzen und darüber reden, Aktionstraings mit euch veranstalten und in einer Antifa-Kneipe inhaltlich über verschiedenste Themen sprechen. Wir haben die Hoffnung, dass die Zeiten sich wieder ändern und ein Rumhängen mit Kaffee, Tee, Bier oder Limo wieder möglich sein wird. Nun aber erst mal dieser Text.
Die Strategie der Polizei gerade junge und neue Menschen einzuschüchtern
Als wir hörten, dass die Polizei vereinzelt zu vorwiegend jungen Personen sagte: „Wenn ich dich hier heute nochmal sehe, gehts in den Knast“ machte uns das unfassbar wütend und teilweise auch sprachlos. Wütend, weil es rechtlich überhaupt keine Grundlage gibt, dass unsere Protestform Menschen unmittelbar in den Knast bringt, diese Aussagen unseren Protest kriminalisieren und delegetimieren. Sprachlos, weil wir Schikanen und Gewalt von der Polizei kennen, aber dennoch immer wieder entsetzt sind, mit welchen Methoden der „Freund und Helfer“ versucht, antifaschistischen Protest zu unterbinden.
Die Polizei und der Staat haben strategisch verschiedene Mittel und Wege, Antifaschist*innen einzuschüchtern.
So üben diese oft psychische Gewalt und Druck aus. Dabei nutzen sie Sprüche wie Eingangs erwähnt, drohen mit Anzeigen und auch der Mist der mitschwingt, falls es zu einen Prozess kommt, zählt dazu. Immer wieder ist zu beobachten, dass gerade junge Menschen davon betroffen sind. Der Grund ist unter anderem, dass Menschen mit wenig Erfahrung angreifbarer sind und Menschen, die noch nicht so lange in der linken Szene sind, teilweise kein Auffangbecken haben und nicht wissen an wen sie sich wenden sollen. Das heißt also auch, dass wenn ihr von solcher Repression betroffen seid, es eben oft nicht an eurem politischen Handeln liegt. Der Polizei und dem Staat ist antifaschistischer Protest schon immer ein Dorn im Auge gewesen. Warum das so ist, dafür gibt es viele Ansätze und Theorien, von „ linker Protest will den Staat abschaffen, rechter Protest will den Staat und seine Machtstrukturen erhärten“ bis zu den hinzukommenden „verfestigten rechten Strukturen in der Polizei und dem Staat“. Gegen ihre Repression müssen wir gemeinsam vorgehen. Wir müssen Gegenstrategien entwickeln, uns auffangen und solidarisch sein.
Der Staat und die Polizei wenden aber auch körperliche Gewalt an. Damit einen Umgang zu finden, ist nicht selten schwierig und belastend. Falls du dich damit Auseinandersetzen willst, oder dich gerade dieses Thema beschäftigt, gibt es auch hierzu einen Text von uns:
Ihr seid nicht allein!
Wenn du gemerkt hast, dass die letzte Aktion nicht spurlos an dir vorbei gegangen ist, dass dich der Tag immer noch beschäftigt und du immer wieder darüber nachdenken musst, rede darüber mit Menschen. Suche dir dafür eine Person, der du vertraust und mit der du eventuell sogar auf der Aktion warst. Für das Gespräch packt ihr am besten das Handy weg. Klingt für manche zwar nach Paranoia, aber besser das Handy für eine Stunde nicht dabei zu haben, als abgehört zu werden. Dann habt ihr Zeit, über deine/eure Ängste zu reden. Versuche zu formulieren, was dich beschäftigt. Oft hilft ein Gespräch auch erst mal um die Gedanken zu sortieren. Eine weitere Person kann helfen, diese in die Realität einzuordnen. Oft machen wir Dinge in unserem Kopf auch größer, als sie vielleicht manchmal sind. Wenn ihr miteinander redet, passt auf, dass ihr die Emotionen der anderen Person nicht absprecht. Nehmt die Person ernst.
Es ist völlig normal, dass solche Erlebnisse Angst machen und überfordern können. Niemand ist auf die ersten Aktionen gegangen, hat Maßnahmen der Polizei miterlebt und Gewalt erfahren, ohne, dass die ganzen Erlebnisse nichts mit eine*r gemacht hätten. Auch wir, die Aktionen schon öfters mitgemacht haben und zu Aktionen aufgerufen haben, liegen manchmal noch schlaflos Nachts im Bett. Auch wenn man die ganze Scheiße schon öfter mitgemacht hat und man daher Dinge anders einschätzen kann, funktioniert das nur, weil wir wissen, dass wir darüber mit Menschen reden können. Dass wir Strukturen haben, wie die Rote Hilfe oder die Rechtshilfe, die uns auffangen. Dass wir eine antifaschistische Struktur haben, die solidarisch ist.
Und auch ihr könnt die Struktur nutzen, denn mit euren Themen seid ihr nicht allein. Wenn ihr rechtliche Fragen habt und falls ihr Post von der Polizei bekommen solltet, kommt Donnerstags um 21 Uhr zur Rechtshilfe Oldenburg im Alhambra. Dort wird euch weitergeholfen.
Auseinandersetzung mit der rechtlichen Situation
Ein weiterer Punkt ist, sich selbst mit der rechtlichen Situation auseinanderzusetzen. Dadurch, dass sich die Polizeigesetze geändert haben und in NRW gerade versucht wird, das Polizeigesetz noch weiter zu verschärfen, ergibt es für alle, egal wie lang man schon dabei ist, Sinn, sich immer wieder auf den aktuellen Stand zu bringen. Dabei geht es u.a. darum, was ich für Rechte habe, wenn ich Teil einer Versammlung bin und welche Wege und Mittel es gibt, antifaschistischen Protest auf die Straße zu bringen. Welche Aktionen sind eine Ordnungswidrigkeit und welche eine Straftat? Welche Dinge nehme ich mit auf eine Demo, welche lasse ich doch besser zu Hause? Dadurch könnt ihr ein Stück besser einschätzen, was euch erwarten könnte und überlegen, welche Aktion mache ich mit und welche nicht. Ihr müsst für euch selbst entscheiden, wie weit ihr gehen wollt. Diese Entscheidung kann und solltet nur ihr selbst treffen. Ein erster hilfreicher Tipp ist die Broschüre der Roten Hilfe:
Dabei sind wir uns auch bewusst, dass es zu Situationen kommen kann, die nicht absehbar sind. Die Polizei handelt oft mit Willkür, ohne rechtliche Grundlage und das, ohne Konsequenzen zu erfahren. Dieser Ohnmacht können wir nur gemeinsam begegnen. Demnächst wird es zu diesem Thema auch einen Vortrag geben. Also seid gespannt!
Eigene Organsierung
Ihr habt aber auch immer die Möglichkeit, euch weitere Strukturen anzueignen und neu zu gründen. Antifaschistischer Protest lebt davon, dass viele Menschen unterschiedlichsten Protest auf die Straße bringen. Und organisiert zu sein macht auch vieles einfacher und auch mehr Spaß. Das kann sein, dass ihr euch mit Freund*innen und Genoss*innen zusammenschließt und erst mal gemeinsam auf Demos fahrt. Dadurch könnt ihr vorher besprechen auf was ihr Lust habt, während der Aktion besser reagieren und danach gemeinsam besprechen, was alles so los war. Zudem habt ihr mehr Sicherheit, wenn ihr auf Cops oder Nazis trefft. Für die Selbstorganisierung und den Umgang mit Repression können wir euch vorerst dieses Taschenbuch vom Unrast Verlag empfehlen, werden aber auch in Zukunft ein paar Tipps unter „How to get organized“ zusammenfassen.